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ghochstein

"Houston, wir haben ein Problem"

Am 13. April 1970, rund 56 Stunden nach ihrem Start zu ihrer Mondmission, funkte die Besatzung von Apollo 13 folgendes an das Mission Control Center der NASA in Houston:

Fred Haise: „Okay, Houston...“

Jack Swigert: „I believe we’ve had a problem here.“

Jack R. Lousma: „This is Houston. Say again, please.“

Jim Lovell: „Houston, we’ve had a problem. We’ve had a main B bus undervolt“


Noch war den Beteiligten nicht klar, dass sich Apollo 13 in einer kritischen und für die Besatzung lebensbedrohlichen Situation befand, da soeben Teile des Servicemoduls des Raumschiffes explodiert waren. Sauerstoff ging verloren und die Energieversorgung war gefährdet. Was alle Beteiligten in den folgenden vier Tagen bis zur glücklichen Landung der drei Astronauten von Apollo 13 am 17. April 1970 in Sachen Problemlösung und kreativer Improvisation leisteten, dürfen wir durchaus als Musterbeispiel für den Umgang mit Problemen und Herausforderungen ansehen.



Nun trifft es Sie im Arbeitsalltag glücklicherweise in der Regel eine oder mehrere Nummern kleiner, wenn Sie sich mit Hindernissen und Problemen beschäftigen dürfen. Und die eigenen Probleme bei der Arbeit sind üblicherweise nicht lebens- oder existenzbedrohend. Verglichen mit Apollo 13 finden Sie sich damit immer in einer eher komfortablen Situation. Trotzdem bleiben zu viele Probleme und Hindernisse ungelöst, was in der Folge Wirksamkeit, Ergebnis und Zukunftsfähigkeit kostet. Warum nur ist das so und was können Sie dagegen tun?


Das erste Problem ist das Problem selber. Es hat keinen besonders guten Ruf, und jedermann versucht, sich so weit als möglich von Problemen und Hindernissen fernzuhalten. Sogar die gesellschaftliche Sprachhygiene lässt uns mittlerweile verstärkt versuchen, den Begriff „Problem“ zu meiden oder anderweitig zu umschreiben. Menschen, die Probleme haben und auch noch darüber reden, genießen nicht unbedingt ein hohes Ansehen und machen sich angreifbar. Das ist schon darum erstaunlich, weil Probleme und Hindernisse allgegenwärtig sind und zum Beispiel in Projekten, bei Innovationen oder in sonstigen Transformationsaktivitäten schlicht den Normalfall abbilden. So sehr wir auch versuchen, Probleme und Hindernisse zu ignorieren, zu leugnen oder schönzureden, werden sie uns doch erhalten bleiben und nicht einfach verschwinden.


Wir sind in der Regel so konditioniert, dass wir den Umgang mit Problemen zuerst nur als etwas Mühsames ansehen. Die Lösung eines Problems erfordert große, auch mentale Anstrengungen und macht, wenn es denn gelingt, aus uns Normalsterblichen kleine oder größere Helden. Darum meidet der eine, größere Teil von uns Menschen Probleme, wo immer es geht, weil sie die Anstrengungen fürchten; der kleinere Teil von uns Menschen wiederum stürzt sich auf die Probleme, um über deren Lösung zu Helden zu werden. Diese Beschreibung vereinfacht und übertreibt natürlich; aber sie stimmt insoweit, als dass der Umgang mit Problemen stark von Emotionen begleitet oder sogar getrieben ist. Das liegt nicht nur, aber auch daran, wie unser Gehirn mit Problemen umgeht. Problemlösungen erfordern kreatives Denken abseits der festen Denkroutinen. Das fordert dem Gehirn besondere Leistungen ab, ist also „anstrengendes“ Denken. Dieses wird zudem nicht sofort vom Belohnungssystem im Gehirn mit einem Glücksempfinden mittels Dopaminausschüttung belohnt. Unsere menschliche Vermeidungsstrategie zu Problemen basiert also zu einem Teil auf unseren neurobiologischen Prozessen, die wir schlicht nicht beeinflussen können.


Interessant wird es dann, wenn Sie die emotionale Komponente herausnehmen. Probleme sind dann einfach Dinge, die noch nicht so funktionieren, wie sie sollen oder wie sie geplant waren. Betrachten Sie Probleme ganz nüchtern und technokratisch, sind sie schlicht eine Soll-Ist-Abweichung. Mit dieser Perspektive und Herangehensweise können Sie aber jedes Problem neutral und objektiv analysieren und beschreiben, womit es lösbar wird.


Bei Projekten und Transformationsprozessen streben Sie einen Zielzustand an, den Sie schon mehr oder weniger genau beschreiben können. Alle Probleme und Hindernisse, die Ihnen auf dem Weg zu diesem Zielzustand begegnen, sind wichtige Ratgeber und Hinweise, die Ihnen zeigen, ob Sie auf dem richtigen Weg sind und wo Sie wirklich eingreifen müssen. Diese „Entemotionalisierung“ von Problemen und Hindernissen fällt im beruflichen Umfeld sicher leichter als im zwischenmenschlichen Bereich, funktioniert aber dann als Treiber statt als Bremse.


Emotionen braucht es an einer anderen Stelle beim Umgang mit Problemen. Dem damaligen NASA-Flightdirector Eugene F. Krantz, der gemeinsam mit seinem Team auch für die operative Durchführung der Apollo 13-Mission verantwortlich war, wurde später das Zitat „Failure is not an option (Scheitern ist keine Option)“ in den Mund gelegt; er selber hat es in der Tat im Rahmen der Apollo 13-Mission so nie gebraucht. Jedoch beschreibt es perfekt den Mindset, mit dem damals alle Beteiligten an der Lösung der zahlreichen Probleme gearbeitet haben. Jedes einzelne und noch so komplizierte Problem muss gelöst werden, egal wie, „whatever it takes“. Bleibt nur ein Problem ungelöst, dann wird die Gesamtaufgabe, die drei Astronauten wieder sicher zurück auf die Erde zu bringen, scheitern. Die gesamte emotionale Energie wurde also auf das Attackieren und Lösen der Probleme gerichtet. So wurden (und werden anderorts) Emotionen zu einem konstruktiven Wirksamkeitstreiber.


Toyota ist eine gute Referenz für die Nutzung von Problemen als konstruktives Mittel für die eigene Weiterentwicklung nach dem Exzellenz-Prinzip. Das Unternehmen akzeptiert einfach, dass Probleme völlig normal sind. Sie suchen darum gezielt nach bestehenden Problemen in all ihren Prozessen und nutzen sie als wesentliche Wegzeiger im Rahmen ihrer kurziterativen Optimierungszyklen. Für Toyota ist ein Problem etwas Wertvolles und Notwendiges, um im eigenen Streben nach permanenter Optimierung voranzukommen. Diese andere Wahrnehmung im Umgang mit Problemen führt bei Toyota zu anderen, konstruktiveren und wirksameren Handlungsmustern. Dort werden Probleme als Werkzeug verstanden und genutzt, die einen wertvollen Beitrag für die Erreichung der nächsten Ziele leisten.


Sie alleine haben es jederzeit in der Hand, auch Ihren Umgang mit Problemen so zu ändern, dass daraus wertvolle Werkzeuge für Ihre Weiterentwicklung und Ihre Zielerreichung werden. Akzeptieren Sie einfach, dass Probleme etwas völlig Normales sind und immer vorkommen werden. Ändern Sie Ihre Wahrnehmung zu Ihren Problemen, nehmen Sie die Emotionen heraus und lesen Sie stattdessen die Hinweise und Fakten, die Ihnen Ihre Probleme transparent machen. Nutzen Sie Ihre Probleme also einfach konstruktiv als Werkzeuge und Wegweiser für Ihre wirklich relevanten Punkte, die Sie auf Ihrem Weg zu Ihren Zielen noch lösen müssen. Richten Sie Ihre Konzentration und emotionale Kraft auf das „whatever it takes“ zur Lösung der Probleme, anstatt sie beim Beklagen der Beschwernisse zu verbrennen. Das können Sie mit Ihrem Team trainieren und so einen neuen und wirksamen Fokus schaffen. Dann werden Sie auch Ihre Apollo 13 immer sicher wieder auf die Erde bekommen.


Literatur zum Thema: „Die Kata des Weltmarktführers“ von Mike Rother

Film zum Thema: "Apollo 13"


Bildnachweis:

Quelle: Pexels / www.Pexels.com Urheber: Bruno Scramgnon Lizenz: Pexels-Lizenz


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